Nebelpetarden bei der Lead-Qualifizierung
Wie viel echtes Geschäftspotential steckt wirklich in den rapportierten Verkaufsprojekten und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit die Aufträge zu gewinnen?
Um zu verhindern, dass Verkaufs-Pipelines mit Schein-Opportunities aufgebläht werden, hat ein findiger Kopf vor Jahrzenten die BANT Kriterien erfunden: Budget, Authority, Need, Timeline. Für einen Controller mag dieses Instrument in der Theorie Klarheit über das wahre Geschäftspotenzial der rapportierten Verkaufsprojekte schaffen. Wird aber verlangt, dass alle vier Kriterien für einen qualifizierten Lead zwingend erfüllt sein müssen, stösst dieser Ansatz gerade bei komplexen Lösungen mit langen Verkaufszyklen an seine Grenzen. Bis in solchen Fällen alle BANT Kriterien definiert sind, hat der Anbieter mit dem besten Draht zum Kunden bereits die Entscheidungskriterien zu seinen Gunsten beeinflusst, oder der Kunde hat sogar schon lange seinen Wunschlieferanten identifiziert.
Mit dem digitalen Marketing entstand die Hoffnung, die Verkaufspipeline durch automatisierte Inbound-Kampagnen füllen zu können, was bei Produkten mit geringem Erklärungsbedarf durchaus funktioniert.
Bei anspruchsvollen Lösungen gelingt es jedoch mit digitalen Kanälen eher selten, angebotsempfängliche Kunden direkt zu gewinnen. Als begnadete Verkäufer ihrer selbst, profitieren diese digitalen Plattformen von möglichst breit gestreuten Botschaften und haben für deren Nachbearbeitung eine Vielzahl neuer Lead-Definitionen geschaffen, wie zum Beispiel Marketing Ready Lead, Marketing Qualified Lead, Sales Accepted Lead, Sales Qualified Lead etc. Oft steht hinter einem solchen Lead eine Person, welche sich eher vage für ein bestimmtes Thema interessiert und sich in irgendeiner Weise erkennbar gemacht hat. Erst mit der persönlichen Ansprache durch den Verkauf lässt sich wirklich feststellen, ob die Person oder Organisation überhaupt über Interesse und Potential für die beworbene Lösung verfügt. Nicht selten erweisen sich die vermeintlichen Leads und Opportunities bestenfalls als Suspects und Prospects, was wiederum zur aufgeblähten Pipeline führt, welcher man mit den BANT-Kriterien zu Leibe rücken wollte.
Und dazwischen gibt es nichts? Doch: Kluge Marketing-Köpfe mit Kenntnis der lokalen Marktgegebenheiten und Verkaufsfüchse, welche eine klare Idee davon haben, welche Kriterien aus einem Prospect einen Lead und aus einer Opportunity einen glücklichen Kunden machen. Der gesunde Geschäftsverstand und die Intuition eines erfahrenen Account Managers werden sich noch auf längere Sicht nicht automatisieren lassen: Mit Marktkenntnis und Fokus lassen sich die Anhäufung kostspieliger Streuverluste und verpasste Geschäftsgelegenheiten genauso vermeiden, wie das Beantworten von Alibi- Ausschreibungen, bei denen der zukünftige Lieferant schon von Beginn an feststeht.
Screen 06/2021 – April